High Society - Hasch in Amsterdam

Es fängt wieder an zu regnen. Eigentlich unmöglich, dass es bei dieser Kälte überhaupt noch regnen kann. Aber der Wind peitscht die Regenschwaden durch die Straßen. Die ganze Hauptstraße ist eine riesige Baustelle, wo noch vor ein paar Tagen der Marktplatz war, gähnt nur noch eine große Baugrube.
Kein Mensch würde auf die Idee kommen, mitten im scheußlichsten Winter nach Amsterdam zu fahren. Aber gerade das ist es, was die Fahrt so reizvoll macht. Fast nirgendwo sieht man die sonst die ganze Innenstadt überflutenden Touristen. Dafür sieht man umso mehr Amsterdamer, die in aller Öffentlichkeit seelenruhig einen Joint rauchen. Solche Bilder werden häufig in Deutschland gezeigt; entweder als "abschreckendes Beispiel" oder von der Gegenseite um zu zeigen, dass "es geht". Ist Amsterdam ein Sündenbabel an der Amstel oder ist die Drogenpolitik unserer liberalen Nachbarn auch ein Vorbild für Deutschland?
Während bei uns die "Legalise it!" - Rufe allmählich verstummt sind können die Holländer nur darüber lachen. Besonders in ihrer Kapitale werden Joints etwa ebenso "toleriert" (wie es im offiziellen Sprachgebrauch immer noch heißt) wie Zigaretten. Wo man auch geht und steht ist die nächste süßliche Duftwolke nicht weit entfernt. Selbst in Hotels läuft man bisweilen durch ganze Rauchschwaden. Joints gehören inzwischen zum Straßenbild von Amsterdam wie die Grachten. Sogar im Stadtmuseum hat man ihnen einen ganzen Raum eingeräumt. Zur Zeit denken die Politiker mal wieder darüber nach, ob sie den Verkauf und Konsum von Cannabis nicht vollständig freigeben sollen, was praktisch gleichbedeutend wäre mit dem Status Quo. In Zeitschriften werben Coffeeshops mit der Qualität ihres Marihuana. In der nördlichen Innenstadt gibt es ganze Straßen, die fast nur noch aus Coffeeshops bestehen. An manchen Grachten reihen sich bis zu fünfzehn (!) hintereinander. Innen drin ist es meist so unglaublich verqualmt, dass es reine Geldverschwendung wäre sich einen Joint zu kaufen; Passivrauchen macht's möglich. Hier bekommt man auch die berühmt-berüchtigten "Spacecakes", wegen denen schon so mancher übermütige Amsterdambesucher seinen Urlaub im Krankenhaus beendet hat.
Am Blumenmarkt kann der Besucher natürlich nicht nur Blumen kaufen, auch wer gerne etwas für seinen eigenen Garten kaufen möchte hat hier eine große Auswahl. Außer den unvermeidlichen Tulpenzwiebeln kann man natürlich auch bestimmte Arten von Samen käuflich erwerben. Im Kleingedruckten auf der Rückseite der Packungen wird vor der Ausfuhr gewarnt; wohl wissend, dass sich gerne einmal die Kundschaft aus Deutschland mit neuem "Saatgut" eindeckt. Schengen sei Dank kann man heutzutage auch relativ unbemerkt die Grenze bei Venlo mit seiner heißen Fracht passieren. Wenn Europa immer mehr zusammenwachsen soll, werden die Politiker irgendwann nicht mehr um eine einheitliche Lösung herumkommen. Bis dahin heißt es jedoch: Es lebe der nationale Alleingang. Bisher wurden bergeweise Statistiken erstellt, mit deren Hilfe die Niederländer die Auswirkungen ihrer Drogenpolitik nicht ganz ohne Stolz präsentieren. Der Konsum harter Drogen hat jedenfalls nicht zugenommen.
So etwas kann es wohl nur in Amsterdam geben. In der südlichen Innenstadt, am Rande des riesigen Rotlichtviertels (es hat seinen Namen mehr als verdient) befindet sich - das "Hash Marihuana Hanf Museum". Nachdem man den horrenden Eintritt bezahlt hat, kann man im Inneren massenweise Infomaterial zum Thema Hanfanbau lesen sowie diverse Haschischpfeifen begutachten; in einem Nebenraum wächst unter Kunstlicht eine beachtliche Hanfkultur (Wenn die Polizei nicht gerade etwas beschlagnahmt hat). An einem Tisch sitzt ein Mann mit tiefliegenden Augen, jeder, der Lust hat, kann etwas Hanf inhalieren, "the best and oldest medicine on earth". Wenn man den ganzen dort ausliegenden Heftchen Glauben schenkt, muß Hanf das beste, ungefährlichste und tollste sein, was die Natur hergibt. Das Museum ist nicht das Gelbe vom Ei. Viele Besucher belassen es dann doch bei einem Foto der Fassade. Vor der riesigen Hanfpflanze vor dem Portal will sich dann aber doch jeder fotografieren lassen. Das bin ich in Rom in der sixtinischen Kapelle, das bin ich in Paris vor der Mona Lisa, das bin ich in Amsterdam vor der komischen Pflanze da. Dann gehen sie weiter, vielleicht Richtung Van-Goch-Museum ,vielleicht Richtung Oude Kerk. Und es beginnt wieder zu regnen.

Carl-Leo von Hohenthal begab sich für Palisto auf den Trip nach Amsterdam

auch darüber etwas in der In & Out - Liste