Von fliegenden Pianos oder einer künstlich geschaffenen Realität

Wie nahm mich doch das Glück ein, als mich die Meldung einholte: "Sie können als Praktikantin an dieser Produktion teilnehmen". Ein kurzer Wortwechsel, ein bisschen Glück -endlich beim Film. Der erste Stolperstein beseitigt, die aufwendigen Bewerbungsqualen vergessen- vielleicht war das der Anfang meines großen Ziels?

Der bevorstehende Tag ist noch in nächtliche Schleier verhüllt und wartet auf die Morgendämmerung. Doch ein Lichtstrahl durchbricht die Finsternis und verkündet das Ende der himmlischen Ruhe.

Schwere Technikgeschütze rollen vor. Abschreckende Schilder, die auf die unabdingbare Nutzung der eintägigen Mieter hinweisen, werden aufgestellt. Der vorerst leere Platz verwandelt sich in ein lichtüberflutetes Schlachtfeld. Licht - LKW`s parken in strengmilitärischer Paradeordnung, eiserne Gegenstände werden ausgeladen, Stromkabel verlegt, Kamerastative zusammengeschraubt, Requisiten gezählt und Kaffee gekocht. Langsam wird die künstliche Lichtflut durch die wahre Morgenpracht abgelöst. Jeder Sonnenstrahl kitzelt an den Nerven der gestressten Okkupanten, gleichwohl symbolisiert er den Drehbeginn. Jede Minute Licht muss ausgeschöpft werden, damit verbunden, künstlerische Schöpferzeiten für den Regisseur, mehr Zeit für sensitive Korrekturen und die Einhaltung des Tagespensums, was wiederum ein neues Kapitel aufrührt: Filmfinanzierung.

"Ruhe bitte, wir drehen! ...Ton-Läuft-Kamera-Läuft -23/3/Die Erste! Klapp!" Totenstille! Plötzlich werden die Schläfrigsten aktiv, da quellen die Stimmen dynamisch aus den Mündern, Leidenschaft brennt in den Herzen und zündelt provokant an den feurigen Spielnaturen. Ein Schauspiel in Ehren, ein kleines Schauspiel, ein Dezentes, Unterdrücktes, doch keines im Kreise der Filmschaffenden. Muss doch das eigentliche Talent zwanghaft reduziert werden. Film ist Wirklichkeit, Wirklichkeit ist Realität, die Bilder schlagen im 24Sekunden-Takt! Wer möchte also abends vor seinem Fernseher von einem getrimmten Hampel, der wild gestikuliert und die Szenen mit widerwärtigen Fratzen schmückt, unterhalten werden. Der Schauspieler steht nicht auf der Bühne. Er muss nicht gestisch und mimisch übertreiben, um den ganzen Saal an seiner Spielkunst teilhaben zu lassen. Vor der Kamera kann er seine eigentliche Berufung in den Ruhestand schicken und auf den Lorbeeren seiner Natürlichkeit ausruhen. Das Einzige, was er wirklich beherrschen muss, ist: sich selbst. Mit einer guten Beobachtungsgabe auf Reaktionen und Handlungsweisen seiner Umwelt und einer ausgeprägten Menschenkenntnis, meistert er zweifellos jede Hürde seiner beruflichen Vorgabe.

Jede Spielszene kann vor der Kamera beliebig oft wiederholt werden. Häufig wird lange geprobt, diskutiert und verbessert. Erst wenn das letzte Quäntchen Unsicherheit beseitigt ist, wird gedreht. Dem liegt eine logische Handhabung zu Grunde: durch effektive Arbeitsweise Materialkosten zu sparen, um die Produktionskosten möglichst niedrig zu halten. Zwischen den einzelnen Aufnahmen herrscht am Set ein reges Getümmel. Masken- und Kostümbildner wuseln um die Schauspieler, kämmen verwehte Haarsträhnen, vernichten den heimtückischen Glanz auf der Stirn und zupfen Kleiderfalten zurecht. Beleuchter sorgen für Tages- oder Nachtlicht, Praktikanten sammeln Kaffeebecher auf...und wie der Hase vom Jäger gejagt, erscheint auch einmal urplötzlich der Produzent. Ein schreckhaftes Ereignis, bei dem der routinierte Schlummerzustand bei jedem Teammitglied spätestens erwacht. Die Arbeit geht noch rasanter vonstatten als zuvor, sie fließt förmlich aus den Fingern. Alles steht stramm und scheint rege am Drehprozess beteiligt. Der hohe Besuch soll schließlich wohlwollend in seinen Illusionen weiterverharren, dass am Set tüchtig "gewerkelt" wird. In der Welt des Films ist alles möglich. Film ist abgebildete Wirklichkeit. Da knallt es, wird gemordet, beerdigt, gelacht und getrauert. Es behandelt das ungewöhnliche Leben; es behandelt fremde, aber doch so realistische Welten. Aber wie spannend ist es erst aktiv und live bei einer Produktion dabei zu sein. Den einen Tag in einem Partykeller zu verbringen, den nächsten auf einer Beerdigung und den darauffolgenden auf einem Kreuzfahrtdampfer. Sicher wird viel gemogelt und aus Abrissgebäuden Polizeireviere gezaubert, aber ein großer Anteil ist und bleibt real: Guten Flug, kleines Piano.

von Juliane Engelmann

Aber um den vorauseilenden Gedanken Einhalt zu gewähren, vorerst ein kurzer Einblick in den Drehprozess der Filmschaffenden.