Hans ist modern

Montag, 13.00 Uhr. Die Schule ist zu Ende. Lachen auf dem Schulhof, lautes Rufen. Die Gesichter, die den ganzen Vormittag über müde und abgespannt wirkten, erhellen sich, blicken einem angenehmen Nachmittag entgegen. Man wird jetzt nach Hause gehen, in aller Ruhe sein Mittagessen zu sich nehmen, etwas mit den Geschwistern plaudern, sich mit Freunden treffen, Spaß haben...

Seufzend schlägt Hans die Jugendlektüre seines Vaters zu und stellt sie ins Regal zurück. Ein schönes Märchenbuch, ein bißchen langweilig zwar, aber gut geschrieben. Doch die Beschäftigung mit unnützen Dingen macht ihn nervös. Seine Fingernägel hat er schon abgekaut vor lauter Unruhe, das kann doch nicht sein, dass es heute nichts zu tun gibt.

Ach ja, man sollte vielleicht erwähnen, dass Hans keine Geschwister hat, worüber er auch ganz froh ist, die wären ihm nur im Weg, und Freunde...so jemand wie Hans braucht keine Freunde, er muss sich um Wichtigeres kümmern. Was, ihr lacht? Da gibt es nichts zu lachen. Hans ist wichtig, immer und überall. Er ist ein engagierter Jugendlicher, unentbehrlich bei all seinen Projekten, die überhaupt nur laufen, weil er sie initiiert hat.

Die Menschheit braucht Hans. Lange schon schrie sie nach so einem Prachtstück. Vergleichbar mit der Stunde null - die Geburt des Helden. Da, wer sagt es denn, das Telefon läutet - endlich: Der vielversprechende junge Herr wird gerufen. Sofort soll er zu einem seiner hoffnungsvollen Projekte kommen. Hans erhört den Hilfeschrei, gleich findet er den Autoschlüssel. So ist es eben, ohne ihn geht nichts voran. Welch gnädiges Geschenk Gottes, seine Existenz. Bald hat Hans den Ort erreicht, zu dem man ihn gebeten hat, sofort überblickt er die Lage. Ein paar Befehle an seine Angestellten hier, da ein guter Ratschlag noch für alle Beteiligten. Dankeschön, Herr Unentbehrlich, Sie haben uns weitergebracht. Nun ist wieder alles in bester Ordnung, auf Sie könnten wir einfach nicht verzichten. Hans winkt bescheiden ab, für Komplimente bleibt ihm keine Zeit, soeben klingelt sein Handy. Aha, ein Notfall, ja, er ist gleich zur Stelle. Er schwingt sich ins Auto und rast davon. Unterwegs fällt ihm ein, dass er heute doch noch zwei, nein halt, drei höchst dringende Termine hat. Erleichtert atmet er auf, er dachte schon...

Gegen Mitternacht kommt Hans nach Hause er organisiert noch ein bißchen, einige Stunden später fällt er ins Bett und schläft sofort ein. ER kann zufrieden mit sich sein. Andere in seinem Alter haben nicht so eine goldene Zukunft vor sich. Aber sie sind selbst Schuld, wenn sie nicht täglich daran arbeiten. "Ohne Fleiß, kein Preis", das ist Hans` Lebensmotto, zusammen mit dem geistreichen Satz:" Schalte das Gehirn aus, es ist der Hemmschuh schlechthin für große Taten." Hans hat seinen grauen Zellen schon vor Jahren den Laufpass gegeben, welch Hans im Glück, er kann Karriere machen. Er verspürt höchste Selbstachtung, wenn er sich seine Zukunft ausmalt. Von Zeit zu Zeit natürlich, wenn ein lieber Verwandter verstirbt, denkt auch er an sein Ende, und es überkommt ihn tiefe Rührung bei der Vorstellung, was man mit ihm verlieren wird. Doch Hans ist intelligent, er schlägt der Vergänglichkeit ein Schnippchen. Dank seiner großen Taten wird er auch nach seinem Tod noch weiterleben .Man wird sich gerne an ihn zurückerinnern. Da ist er sich ganz sicher.

von Lena Pfaff