Warum Mädchen immer zu zweit auf's Klo gehen
- Was Mädchenfreundschaften so wertvoll macht -

"Kommst du mit mir kurz aufs Klo?" Meine beste Freundin steht vor mir und schreckt mich aus dem herrlichsten Gespräch mit dem interessantesten Menschen, den diese Party zu bieten hat. Ich weiß sofort Bescheid: Wenn sie mich jetzt stört, heißt das mehr als Alarmstufe rot, dann ist das fast schon Katastrophenalarm. Wahrscheinlich soviel wie: Er hat eine andere, er hat es gewagt, sie zu versetzen, oder diverse schwerwiegende Probleme dieser Art, die nach einer genauen Analyse schreien. So schwer es mir auch in diesem Augenblick fällt, verhalte ich mich, wie eine Freundin es in einem derartigen Moment tun muss: Ich stehe auf und lasse mich durch die wildgewordene Menge zur Krisensitzung auf das überfüllte Klo ziehen. Die Mädchentoilette erweckt den Eindruck, das Herz einer jeden Party zu sein: Hier findet von tiefschürfenden Gesprächen wie "Kann mir nicht jemand sagen, wie beschissen ich heute aussehe" bis hin zu der Erörterung lebenswichtiger Fragen "Warum beachtet er mich nicht, obwohl ich doch extra das Teil trage, zu dem du mir geraten hast??" jede Art der Kommunikation statt. An diesem Ort findet frau endlich ihre Ruhe vor dem Objekt der häufigsten/intensivsten Gespräche, kann Schlachtpläne erstellen, Taktiken besprechen oder ist einfach mal ein paar Minuten unter sich.

Was hätte es da für einen Sinn, dieses Kult-Örtchen alleine zu besuchen? Und wer bitte bewegt sich schon auf Partys in Richtung Toilette, um den natürlichen Bedürfnissen nachzugehen?

Gibt frau einer Party die Ehre, muss sie in der Regel dreimal den seelenerleichternden Gang antreten: Das erste Mal meist bei der Ankunft. Denn dann kennt frau das Klo - hat sich vorerst mit dem Revier vertraut gemacht, weiss, wohin man im Notfall ausweichen kann, und anschließend kann frau sich ungestört und selbstsicher ins Partygetümmel werfen.

Doch wie oft hört man vom anderen Geschlecht, dass sie es nie verstehen werden, warum wir immer zu zweit in Richtung "boys - girls" verschwinden.

Die Erklärung dieses so rätselhaften Phänomens ist im Grunde reichlich einfach. Das Zauberwort der Mädchenfreundschaft reduziert sich auf einen einzigen Begriff: Kommunikation. Vertreter des weiblichen Geschlechts beschränken sich nicht darauf, zum Zweck des reinen Informationsaustausches zu kommunizieren. Das könnte im Vergleich Mann - Frau folgendermaßen aussehen: Bemerkt ein Mann, dass die Party schlecht sei. Sagt sein Freund, dass dies stimmt. Äußert jedoch eine Frau dasselbe, fragt die andere, was sie denn habe! Was denn los sei? Ob etwas passiert sei? Und ob Günter der Grund für einen derartigen östrogengeladenen Meinungsumschwung sein könne?

Mädchen brauchen keinen Grund, um sich zu treffen, man sieht sich, quatscht und tratscht, tauscht die neuesten und interessantesten Infos der Welt aus und verfällt äußerst selten ins Schweigen. Vielleicht haben Mädchen auch Angst davor, sich einmal nicht ihrer verbalen Zungenfertigkeiten zu bedienen - Gott gab uns schließlich den Mund, um damit zu sprechen! Vielleicht aber auch nicht. Doch der Verdacht, dass es einfach immer etwas zu sagen gibt, lässt sich sogar leicht erhärten. Der grundlegende Unterschied ist, dass Mädchen über alles intensiver reden, dass sie mehr Worte um Dinge machen als Jungs. Alles, was um sie herum passiert, wird genauer beredet und analysiert. Das ist auch der Grund, warum sich befreundete Mädchen besser kennen und mehr voneinander wissen als befreundete Jungs: Diese sind zwar der Meinung, sie verstünden sich ganz herrlich und ohne Worte, sozusagen auf der Basis der Seelenverwandtschaft, jedoch lässt sich bei genauerem Hinsehen erkennen, dass selbige häufig nicht mehr beinhaltet, als die ihnen gemeinsame Oberflächlichkeit, die aus geschäftigem Treiben, aus den vielen "wichtigen Aufgaben, die ein männliches Wesen täglich zu erbringen hat", hervorgeht.

Taten, so scheint es, sind seit Urzeiten einzig und allein ihm vorbehalten, nicht die verbale Kommunikation. Schon im Jugendalter gilt es, sich dafür zu rüsten, an der eigenen Karriere zu arbeiten, sich durch besondere Leistungen hervorzuheben, nützliche Kontakte zu knüpfen. Also all das zu tun, was sich später im Leben auszahlen wird. Was hat man schon vom Zerfleddern unnutzer Dinge, vom endlosen Diskutieren, Reden, Zuhören und wieder Reden? Worte bringen doch nicht weiter. Worten gehen Gedanken voraus, oder besser gesagt: Sollten sie zumindest. Also ist die Kommunikation auch immer eine Art Reflexion des eigenen Handelns, mit der man bei wirklichen Freunden durchaus kritische Kommentare riskieren muss. Bei vielen Jungs sieht es ganz so aus, als verstünden sie unter Freundschaft so etwas wie Bestätigung durch das Gegenüber: Ich reiße einen niveaulosen Witz, der andere klopft mir wohlwollend auf die Schulter, findet mich toll, gerissen und klug, und schwupp - schon ist er mein Freund. Oft genug lässt sich diese Art zwischenmenschlicher Beziehungen bei Jungen beobachten, für die "Freundschaft" wohl nicht die richtige Bezeichnung ist. Was sie davon haben, wird Mädchen immer ein Geheimnis bleiben. Ihre Freundschaften zeichnen sich nämlich noch durch etwas ganz anderes aus, als unterhaltsames Gequatsche, Humor, Analysieren, Philosophieren, gemeinsame peinliche Aktionen, über die man sich noch Jahre später amüsiert, Blicke, die alles sagen: Die gute Freundin ist die einzige, die die Fähigkeit besitzt, einem in Zeiten vollkommener Blindheit die Augen zu öffnen: Die eine ist verliebt, so sehr, dass sie nicht weiterleben kann, bekommt sie nicht genau diesen Typen. Alles andere ist ihr egal, sie kann nicht essen, nicht schlafen, weil sie die ganze Zeit an Ihn denken muss. Aber mit ihrer Freundin kann sie sich gerade noch treffen, denn sie muss ja schließlich jemandem von ihrem Kummer berichten. Jemandem, der mit ihr fühlt. Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es so schön. Sie sitzen im Cafe. Sie, mit weinerlicher Stimme, seufzend, kummertrunken, erzählt ihrer Freundin von Ihm, dem nettesten, intelligentesten Menschen der Welt. "Er ist wunderschön", schließt sie ihre hingebungsvolle Beschreibung. Ihre Freundin lächelt: "Ja, er hat so wunderschön kurze Beine", sagt sie dann. Es folgt Entsetzen, Empörung über eine dermaßen unverschämte Äußerung auf Kosten ihres Traumprinzen. Doch dann muss auch sie anfangen zu grinsen. Es bleibt nicht dabei, aus dem Grinsen wird ein Lachen, ein Lachen, das aus ihrem Bauch kommt, und sie erleichtert. Sie lachen beide. So sehr, dass sie fast von ihren Stühlen kippen. Sie können gar nicht mehr aufhören. Und für einen kurzen Moment ist Er samt allem Kummer, den er verursacht, einfach nur absolut unwichtig.

von Lena Pfaff & Meggi Jacob